Samstag, 8. Mai 2010

Die Strasse von Seedorf nach Isleten: Leidensgeschichte 2





DIE STRASSE Seedorf – Isleten

(aus Reminiszenzen an das Isenthal aus Anlass der Eröffnung der Güterstrasse Seedorf – Isleten, von Max Oechslin, Buchdruckerei Gamma, Altdorf 1951)

Die neuerstellte G ü t e r s t r a s s e, die Seedorf mit Isleten verbindet - und in den nächsten zwei Jahren bis Bauen weitergeführt wird - hat nun Isenthal aus seiner Weltabgeschiedenheit herausgenommen. Bereits vor fünf Jahrzehnten, als man an den Bau der Isentalerstraße ging, dachte man an eine "Verbindung über Land", indem vorgesehen war, vom untersten Kehr der Straße aus direkt durch die Gand gegen Engisort und längs dem Ufer in der Straßenlinie der heutigen Güterstraße, den Anschluss nach Seedorf zu finden. Aber einerseits fürchtete man sich schon damals vor dem Steinschlag in der Gand, dem heute durch die Erstellung der hundert Meter langen Galerie begegnet wird, und anderseits stand in jener Zeit der Dampfschiffverkehr auf dem See in vollster Blüte, so dass sich die Isentaler und kantonalen Behörden sagten, dass die Straßenverbindung zur Isleten den besten Aufschluss gebe. In der Folge zeigte sich dann aber immer deutlicher, dass man mit dieser "Sackstraße" nicht auskommen konnte, zumal während des ersten Weltkrieges 1914-1918 auch auf dem Vierwaldstättersee Verkehrseinschränkungen nötig waren, die die Isentaler wieder vermehrt "ins entlegene Tal" rücken ließen. Um 1923 wurde von Ing. Fahrner, Luzern, ein erstes generelles Projekt für eine Straßenverbindung Seedorf-Isleten-Bauen aufgestellt, zu welchem wir noch eine "forstliche Begutachtung" zu schreiben hatten, da die Strasse auch dem Aufschluss der Wälder längs dem See, des Isentals und Bauens dient.

Es schien aber über diesem Projekt kein guter Stern zu walten, denn es verschwand in einer Schublade oder Kiste; es heißt sogar "außer Landes". 1930 nahmen dann vor allem die Gemeindevertreter Isenthals, zu denen sich auch die zu Bauen gesellten, sowie Interessenten in Seedorf, die Idee eines Güterstraßeneubaues wieder auf, wobei der damalige Baudirektor Karl Gerig von Wassen wohl etwelche Zurückhaltung hielt, weil von anderer Seite auch von einer großen Durchgangsstraße, der "Linksufrigen", gesprochen wurde, welche den Aufschluss des ganzen linken Seeufers bringen und Nidwalden mit Uri direkt zu Land verbinden würde. Es darf aber wohl beachtet werden, dass selbst beim Bau einer großen Auto-Straße, die gerade auf der Strecke Engisort-Bauen drei Tunnels von mehreren Hunderten von Metern aufweist, für den internen Verkehr, vor allem der Land- und Forstwirtschaft, eine längs dem Ufer verlaufende und tunnelfreie Güterstaße direkt notwendig ist. Auch der Fußgänger wird weit lieber über eine Außenstraße schlendern als durch lange Tunnels, selbst wenn letztere künstlich belichtet sind.

Im Jahre 1937 wurde von Seiten des Kant. Kulturamtes unter Zuzug von Ing. H. Bickel, Zürich, ein Güterstraßenprojekt ausgearbeitet, welches sich eng an den Uferverlauf anschmiegt, eine Länge von 6866 m (6182 m Neubaustrecken und 648 m bereits bestehende und zu korrigierende Straßenstrecke) und eine Fahrbahnbreite von 2 m vorsah, totale Breite inkl. Bankett und Rinnen 2,6 m. Von seiten des Eidg. Volkswirtschaftsdepartementes wurde das Projekt mit einem Beitrag von 37,5 Prozent genehmigt, unterm 25. Mai 1938, und mit einem zusätzlichen Beitrag für Arbeitsbeschafftmg von 12,5 Prozent, unterm 22. Februar 1939.

Die Kantonale Volksabstimmung hatte in Verbindung mit der Genehmigung des Kredites für den Bau der Sustenstraße den Kostenvoranschlag von 690’000 Franken gutgeheißen, sowie den notwendigen Kredit für die Durchführung des Werkes. In der Folge tauchte aber wieder der Bau der großen linksufrigen Straße auf, wofür von Seiten des Eidg. Oberbauinspektorates, Bern, ein Projekt ausgearbeitet wurde, das für die Strecke auf urnerischem Gebiet vom Ingenieurbureau Carl Erni, Luzern, aufgenommen ist. Gleichzeitig tauchte auch wieder der Bau einer Güterstraße auf, weshalb das kantonale Bauamt Uri durch Ing. Bertrand Müller, Altdorf, ein neues diesbezügliches Projekt aufstellen ließ, das am 13. September 1940 vorlag und mit einem Kostenvoranschlag von 1 275 000 Franken rechnete.

Der Umstand, dass eine linksufrige Autostraße (mit einer Breite von 6 m) und eine Güterstraße gleichzeitig zum Gespräch gelangten und die Bundesbehörden sich gegen einen baldigen Bau einer großen Durchgangsstraße aussprachen, so wie sicher auch der Umstand, dass der Kanton Uri die großen Kosten einer Durchgangsstraße kaum zu tragen vermöchte, ließen das Oberbauinspektorat anhand der Pläne für eine linksufrige Autostraße durch Bauingenieur Dr. lng. Ruckli, Bern, ein Güterstraßenprojekt für die Strecke Seedorf-Bauen berechnen, allerdings unter Beibehaltung von drei Tunnels mit Längen von 344, 703 und 316 Metern. Der Kostenvoranschlag stelle sich auf 1 789 000 Franken. Nachdem die Baufrist für das Projekt von 1937/1938 verlängert, aber unbenützt verstrichen war, wurden Bau und Subventionierung der Güterstraße von Seiten des Bundes mit Beschluss vom 2. Mai 1942 auf unbestimmte Zeit verschoben, mit der Bestimmung, dass eine, neue Eingabe, unter Beachtung der sich dann ergebenden Verhältnisse und Baupreise zu erfolgen habe.

Es ist verständlich, wenn vor allem die besonders interessierten Gemeinden Isenthal und Bauen bei den kantonalen Behörden immer wieder den Bau der Güterstraße verlangten, wie sie in der Volksabstimmung von 1938 genehmigt worden war. Denn immer weniger gestattete es die Finanzlage des Kantons, eine große linksufrige Autostraße in Angriff zu nehmen, waren deren Kosten für die Strecke Flüelerstraße-Seelisberg-Buochs doch mit 39,5 Millionen Franken berechnet, wobei auf die Straßenstrecke Seedorf-Isleten-Bauen allein 12 620000 Franken entfallen. Deshalb bekam der Gedanke des Baues der Güterstraße wieder vermehrten Boden. Der Regierungsrat beauftragte das kantonale Kulturamt mit der Ausarbeitung eines neuen Projektes, wobei die Linienführung der linksufrigen Autostraße beachtet werden musste. Man dachte dabei daran, dass bei einem spätern Ausbau der Güterstraße in eine Durchgangsstraße die Arbeiten als eine Art Vorarbeit gelten und in die große Straße eingegliedert werden können.

Es wurde deshalb ein neues Projekt ausgearbeitet, das weitgehend die Linienführung einer linksufrigen Autostraße berücksichtigte, anderseits aber die langen Tunnels vollständig umging. Das Projekt von Dr. Ing. Ruckli galt als Grundlage, vor allem auch für den Bau der Galerie und der Brücken. Die Fahrbahnbreite wurde auf 3 m festgelegt, plus Bankette oder Längsschalen von je 30 cm Breite, total 3,6 m. Tunnels und Brücken erhielten eine Breite von 4 m (Fahrbahn 3,4 m). Bei allfälligen Lawinen- und Wildbachgängen sah man gepflästerte Furt vor. - Diese Güterstraße, die somit im offenen Gelände dem Trosse der linksufrigen Autostraße, in den Felspartien dagegen der Uferlinie folgt, um durchwegs das, Trasse "am Tag" zu haben, erhält nach Projekt eine Länge von 6321 Metern und rechnet mit einem Kostenvoranschlag van 2 500 000 Franken.

Dieses Projekt wurde vom kantonalen Oberforstamt, Abt. Kulturamt, anfangs April 1948 den Behörden eingereicht. Der Landrat hieß das Projekt in seiner Sitzung vom 26. April 1948 gut und beantragte der Volksabstimmung Annahme desselben, die Erteilung des zur Ausführung der Baute notwendigen Kredites von 2,5 Millionen Franken, sowie des Deckungsplanes. Das Urnervolk stimmte am 23. Mai 1948 mit 3997 Ja gegen nur 376 Nein dem Antrag z u, so dass schon am 26. Mai 1948 der Regierungsrat die Weiterleitung des Projektes an das Eidg. Volkswirtschaftsdepartement beschließen konnte, zur Erhältlichmachung des schon an das Projekt von 1937/1938 zugesicherten Beitrages. Unterm 6. Juni 1948 wurde dieser Beschluss vollzogen. Nach eingehender Prüfung des Projektes durch das Eidg. Meliorationsamt, wobei noch Chefingenieur Alfred Strüby selig wohlwollend mitwirkte, wurde die Vorlage mit Beschluss des Bundesrates unterm 30. Dezember 1948 genehmigt, wobei allerdings die subventionsberechtigte Summe auf 2 Millionen festgesetzt wurde, bei einem Beitrag von 37,5 Prozent, im Maximum 750 000 Franken.

So stand die Lage für den Bau offen.

Das erste Baulos konnte bereits im April 1949 ausgeschrieben werden für die Strecke Seehof bis Acherli, 1553 Meter. Die Vergebung erfolgte an die Firma Viktor Gasperini, Altdorf, die am 6. Juni 1949 mit den Arbeiten begann und diese Ende November abschließen konnte. Die Kosten blieben innerhalb des Voranschlages von 293 000 Franken.

Das zweite Baulos wurde den Firmen Emil Baumann, Altdorf, Los IIA, und Josef Baumann, Altdorf, Los 11B, übergeben, mit dessen Bau im März 1950 begonnen wurde, so dass Ende Oktober die Arbeiten beendigt waren. Auch hier konnte innerhalb des Kostenvoranschlages von 400’000 Franken geblieben werden für die Strecke Acherli bis Engisort mit 1229 Metern.

Es konnte unverzüglich auch das Detailprojekt des III. Bauloses ausgearbeitet werden, für die Strecke Engisort bis Isleten, d. h. für 907 m, mit dem Kostenvoranschlag von 470’000 Franken, wobei der Bau der Steinschlaggalerie durch die Gand mit 102 Metern Länge und die Felspartie im Schild besondere Kosten verursachten. Die Arbeiten wurden den Firmen Emil Baumann, Altdorf, Los IIIA (inkl. Galeriebau mit Firma Josef Baumann Muheim, Altdorf), und Viktor Gasperini, Altdorf, Los IIIB, vergeben. Mit den Arbeiten wurde bereits im November 1950 begonnen, so dass sie Ende April 1951 beendigt waren und der durchgehende Verkehr Seedorf-Isleten und ins Isenthal nun offen steht.

Die Gesamtkosten für die Strecke von Seedorf (Seehof) bis Isleten (Talbach) d. h. für 4087 m Länge, waren im generellen Projekt zu 1 427 000 Franken berechnet, laut den Detailprojekten, unter Beachtung einiger Einsparungen, mit 1 163 000 Fr. Die Kosten werden sich auf rund 1 165 000 Franken stellen.
Damit ist das Tal der Isentaler dem großen Verkehr angeschlossen worden. Das Frühjahr 1951 bedeutet für diese Bergbevölkerung eine besondere Wende. Möge sie zum Wohl des Tales sein, dem Guten den Weg öffnen, aber allem, was fremd ist, auch fürderhin keinen Eingang gewähren.
M. Oe.

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