Sonntag, 9. Mai 2010

Isenthal und Bärchi in der Franzosenzeit 1799


General Suworoff auf dem Gotthard (Zeitgenössische Darstellung)

In seiner eindrücklichen Zeitzeugenschilderung der turbulenten Zeiten von 1798 bis 1803 im Kanton Uri, vermag uns Karl Franz Lusser die schrecklichen Zeiten nahe zu bringen. Da er eindeutig aus der Position der „alten Ordnung“ berichtet und auch polemisiert, kann ich gut nachvollziehen, wie auch heutige Gesellschaften, denen eine Ordnung von aussen auferlegt wird, nie zur Ruhe kommen und wie das Leben der EinwohnerInnen von Terror, Angst, Hunger, Armut, Rechtsunsicherheit und Ungewissheit geprägt ist. (Afghanistan kommt mir als aktuelles Beispiel immer wieder in den Sinn)

Bezeichnend ist der Anfang des ersten Kapitels
(Vorboten der Revolution von 1789 bis 1798)

„Der Saamen, den Afterphilosophen und gottvergessene Religionsspötter so frech und so reichlich ausgestreut hatten, ging in Frankreich besonders als üppiges Unkraut auf und trug immer reichlichere Früchte, so zwar, dass es zum guten Tone, zur feinen Bildung ghörte, das Christenthum, und besonders die katholische Religion und ihre Einrichtungen und Gebräuche zu verspotten und lächerlich zu machen, und die Priester der Religion zu verachten und ihre Pflichten als Anmassung, als Störung menschlicher Glückseligkeit zu verschreien........“


Zweimal schildert Lusser Episoden, in denen Isenthal vom Krieg betroffen wurde. Am Ende erschien es den französischen Heerführern offensichtlich sinnvoller, eine „ehrenvolle Capitulation“ zu vereinbaren, als auf diesem Nebenschauplatz unnötig Ressourcen zu verschwenden. Und so können sich die Isenthaler in Erinnerung an diese Tage einwenig als „Helden“ fühlen.
Hier folgen nun die beiden Schilderungen:


Neuntes Kapitel
Des Bauernkriegs Anfang: Vertreibung der Franzosen aus Uri (1799)
(Seiten 112 und 113)

„....die meisten fielen noch in der Nacht oder früh am Morgen den Bauern in die Hände, welche Gefangene und Verwundete in das Kloster brachten. Unter ersteren war auch Grenadierhauptmann Dupin, den einige durch den ersten glücklichen Erfolg toll gewordene und wuthentbrannte Schreier nebst andern Gefangenen sogleich niederhauen wollten, allein der ernsten Fürsprache des Herrn Landammann Jost Müller, dem sich mehrere menschlicher gesinnte Landleute anschlossen, gelang es, die Schandthat zu verhüten und die Nonnen verpflegten diese Unglücklichen mit ächt christlicher Liebe. Mehrere schwer verwundete Franzosen hauchten da ihren Geist aus, nachdem sie, gerührt durch die Teilnahme des seeleneifrigen Pfarrers Imhof, aus dessen Hand noch die heiligen Sterbesakramente empfangen – eine Gnade, die ihnen in der revolutionirten Heimath damals kaum zu Theil geworden wäre.

Gleich nach dem Gefecht bei der Brücke zu Seedorf war ein des Pfades wohl kundiger Mann von Bürglen, Franz Arnold, Emmeter Franz genannt, in das Isenthal geeilt; von Schweiss triefend, kam er mitten in der Nacht im Birki, der zunächst liegenden Wohnung dieses Thales an, warf den noch blutigen Säbel auf den Tisch, erzählte kurz, was vorgefallen und verlangte, dass schnell die Anhöhe bei der Fruttcapelle besetzt werde, um den Franzosen, welche diesen Rückweg suchen könnten, diesen zu verwehren. Dies geschah in möglichster Eile, und wirklich graute kaum der Tag, so erschien ein Trupp Franzosen; mit Schüssen und Steinen wurden sie in diesem gefährlichen Engpass empfangen und grossentheils gefangen genommen. Zwei davon suchten über Felsabhänge zu entkommen, wo nur wenige Eingeborene zu klettern gewagt hätten, so gross war ihr Schrecken vor den erbitterten Bauern; aber nur einem gelang es, die Isleten zu erreichen, der andere fiel zu Tode. Ein gefangener Officier ging sodann an eben diesem Morgen, von Bauern begleitet, den ganzen Wald entlang, die Versteckten hervorzurufen und bald da, bald dort trat einer aus dem Dickicht hervor; aber einige, entweder weil sie diese rufende Stimme nicht hörten oder nicht erkannten, oder keinen Pardon erwarteten, kamen erst am dritten oder vierten, ja ein Wachtmeister erst am fünften Tage, von Hunger getrieben, blass und entstellt aus dem Verstecke. Einige solche Versprengte hatten sich schon den ersten Abend beim weissen Haus nahe er Reussbrücke zu Attinghausen wieder gesammelt, wurden aber am folgenden Morgen früh von einigen Bauern angegriffen, geworfen und im Ruberst zu Gefangenen gemacht; auch diese konnten nur mit Mühe von den menschlicher Gesinnten vor wildem Abschlachten gerettet werden. Sie wurden zu den übrigen anch Seedorf abgeführt, von wo dann alle zusammen folgenden Tages nach Bürglen gebracht und in dem alten Thurme nahe der Tellscapelle eingesperrt wurden.....“




Zehntes Kapitel
Wiedereroberung Uri’s durch die Franzosen (1799)
(Seite 131)

„......Inzwischen hatten die Männer von Isenthal ihr stilles Tälchen mannhaft verteidigt und mehrere Angriffe, welche Waadtländer von Bauen aus gegen die Bärki unternahmen, blutig zurückgewiesen. Endlich unterhandelte Pfarrer Imholz im Namen der tapferen Thalschaft und erhielt eine sehr ehrenhafte Capitulation, gemäss welcher sie selbst die Waffen behalten durften..........“



Auszug aus:
Leiden und Schicksale der Urner während der denkwürdigen Revolutionszeit, vom Umsturz der alten Verfassung im Jahre 1798 bis zu deren Wiederherstellung im Jahre 1803
Zum Andenken für seine Mitbürger aufgeschrieben von Dr. F. Lusser (Karl Franz Lusser),
Mitglied mehrerer gelehrter Gesellschaften, Altdorf, Druck und Verlag von Franz Xaver Z’graggen 1845

Faksimile-Neudruck der Originalausgabe von 1845 mit Geleitwort und erläuterndem Namen-register. Herausgegeben von der Kantonsbibliothek Uri. Räber Verlag Luzern und Stuttgart.
Separatdruck der 11./12. Jahresgabe der Kantonsbibliothek Uri 1964/65. Redaktion: Hans Schuler, Staatsarchivar, Uri

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